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Hämatokrit
Zufallsprinzip" führt zu Schwankungen
Offensichtlich unterliegt die festgelegte Grenze (50%) in der jetzigen Form einem "Zufallsprinzip"
"Deshalb empfehlen die Experten, man solle die Beine hochlegen, um den Hämatokritwert zu senken."
"Da legst Du Dich mit 48 Prozent Hamatokrit ins Bett und wachst mit 51 Prozent wieder auf - und bist gesperrt". Geht das? Leider ist dies im Radrennsport möglich, denn die willkürliche Grenze von 50 Prozent Hämatokrit als starre Trennungslinie zwischen denen, deren Gesundheit durch zu viele feste Bestandteile des Bluts als gefährdet gelten, und den "Gesunden" ist fließend. Ca. 8 Prozent des "normalen" Menschen bestehen aus Blut, bei gut auf Ausdauer Trainierten kann dieser Wert bei über 10 Prozent liegen. Ein Teil der besseren Werte ist genetisch-, ein Teil trainingsbedingt. Im Längsschnitt zeigt sich, dass es in den ersten ca. 10 Tagen des Trainings zu einer Vermehrung des Blutplasmavolumens kommt, während anschließend Plasma und feste Bestandteile etwa gleichmäßig ansteigen. In mehr und dickeren kapillaren Blutgefäßen findet dieses seinen Platz. Am Problem Marco Pantanis kann man einige der Probleme der Hämatokritgrenze aufzeigen. Bei einem Körpergewicht von 59 kg sollte er ca. 6,6 Liter Blut haben. Beim Ausdauersportler ist der Anteil der festen Blutbestandteile, des Hämatokrits, höher als bei Untrainierten. Den größten Anteil am Hämatokrit hat das Hämoglobin, dessen Menge für den Sauerstofftransort einen entscheidenden Engpass darstellt. Je mehr Hämoglobin man hat, um so leistungsfähiger kann man in Ausdauersportarten sein. 1 g Hämoglobin kann bis zu 1,39 ml Sauerstoff binden. Mit einem Anstieg von 0,3 g Hämoglobin/100 ml Blut ist ein Anstieg von ca. 1 Prozent V02max verbunden. Bevor die Diskussion um EPO in größerem Umfang aufkam, galten Hämatokritwerte von bis zu 54 Prozent in der Literatur als üblich.
(GLEDHILL 1992, 208 in offizieller IOC-Publikation).

Dass Pantani einen Wert in der Nähe von 50 Prozent hat, muß also kein Anzeichen von Doping sein, sondern nur von seinen guten genetischen Voraussetzungen und seinem sehr guten Trainingszustand. Die große Schweissreserve des Körpers ist das Blutplasma. Je nach Grad des Ausgetrocknetseins des Körpers und der vorhandenen Elektrolyte kommt wenigstens die Hälfte des Schweißes und der ausgeatmeten Feuchtigkeit aus dem Blutplasma. Die ersten systematischen Untersuchungen von ADOLPH (1947), die aber immer wieder bestätigt wurden, zeigen, dass sogar 2,5mal so viel des Schweißes aus dem Blutplasma stammt, wie aus allen an- deren, vor allem intra-zellulären Quellen, zusammen.
Hier nun fangen die Probleme für den Sportlern an. Wenn Marco Pantani mit seinen 6,6 Liter Blut, sich mit 3,3 Liter Hämatokrit (= 50 Prozent) Schlafen legt, hat er am nächsten morgen zwar noch immer 3,3 Liter Hämatokrit, aber bei einem Schweißverlust von 1 Liter (und dem Ansatz von auch nur 50 Prozent aus dem Plasma) in der Nacht hat er nur noch ca. 6,1 Liter Blut und damit auch ohne EPO einen Hämatokritwert von 54,1 Prozent. Der Feuchtigkeitsverlust über Nacht ist in der Höhe besonders groß, da dort in der Regel die relative Luftfeuchtigkeit geringer ist, so daß nach einem anstrengenden Tag in der Nacht auch mehr als 1 kg Gewichtsverlust vorkommen kann. Die Rechnung lässt sich durch eine Gegenrechnung nach den Daten von COSTILL (1984) und von FORTNEY u.a. (1981) auch bestätigen. Sie fanden, daß eine Plasmareduktion um 10 Prozent ganz schnell und leicht auch noch ohne größere Anstrengung innerhalb von 10 min eintreten kann, während sie sich anschließend viel langsamer darstellt. Reduktionen von insgesamt mehr als 15 Prozent sind selten und nur unter den Bedingungen von Langzeitbelastungen auf hohem Niveau (z.B. im Radrennsport) zu erzielen. Bei 50 Prozent Hämatokrit bedeutet jedoch eine Reduktion um 10 Prozent Plasma einen Anstieg auf 55 Prozent Hämatokrit.

Die jüngsten Untersuchungen von P.  F. BODA-RY/R. R. PATE u.a.: Effects of achte exercise on plasma erythropoietin levels in trainer runners, in: Med, Sci. Sports & Exerc. 31(1999), 4, 543-546, machen die Situation auch nicht leichter, zeigen sie doch, daß als eine der wesentlichen Folgen von Ausdauerbelastungen auf sehr hohem Niveau (92 Prozent V02max) nach 48 Stunden der körpereigene (ungedopte) Erythropoietinspiegel im Blut von ca. 14 mU/ml auf ca. 16 mU/ml ansteigt. Das aber Bedeutet für mehrtägige Etappenfahrten, dass auch ohne körperfremdes EPO der EPO-Spiegel überdurchschnittlich hoch liegt und damit auch die Hämoglobinproduktion ansteigt, so dass man nicht einmal davon ausgehen kann, daß der absolute Hamatokritwert, hier 3,3 Liter, wirklich konstant bleibt.
Wenn man meint im Flachland die Werte vom Abend und vom Morgen routinemaßig im Griff zu haben, müssen die Einstellungen der erforderlichen Getränke in der trockenen Hochlandluft trotzdem nicht stimmen. Das Pantani schon Stunden nach dem positiven Test (52 Prozent) wieder einen normalen Wert in Wiederholungsuntersuchungen (bei 48 Prozent) in zwei verschiedenen Krankenhäusern auf der Heimfahrt erreicht hat, ist ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Hierzu reichen beim ungedopten Sportler Leitungswasser und einfache Elektrolytgetränke, beim Gedopten Seruminfusionen und synthetische Blutverdünner - und selbst der Unterschied zwischen ruhig stehend auf den Hämatokrittest warten und sitzend im Autofahren kann einen Teil des Unterschieds erklären.
Was die Sache jedoch noch komplizierter macht, ist die Tatsache, dass der Hämatokritwert auch davon abhängt, ob man steht, sitzt oder liegt, bzw. in den letzten Minuten vor der Blutentnahme gesessen oder gestanden hat. Nach 20 min ruhigen Stehens sank das Plasmavolumen um 10 Prozent (HARRISON 1985), somit würde bei 50 Prozent Hämatokrit nach dem Warten in der Schlange zum Bluttest Wert auf 55 Prozent angestiegen sein. Deshalb empfehlen ja auch die Experten, man solle die Beine hochlegen, um den Hämatokritwert zu senken - und das funktioniert sogar, wenn man vorher ruhig gestanden hat.
Was kann man in diesem Dilemma tun? Der starre Hämatokritwert von 50 Prozent ist für Untrainierte durchaus sinnvoll, denn weder ihr Herz noch ihre feinen Kapillargefäße sind für viel höhere Werte ausgelegt. Für Ausdauertrainierte stellen 50 Prozent keine absolute Grenze dar, oberhalb dessen die Gesundheit gefährdet ist, denn mit erhöhter Anstrengung steigt auch die Bluttemperatur - und damit sinkt die Viskosität des Bluts, die bei einem sehr hohen Hämatokritwert in Ruhe die Gesundheitsbedrohung darstellt. Aber auch die in anderen Sportarten verwendeten 53 Prozent sind als starre Grenzen nicht zweckmäßig. Wenn es noch die kolumbianischen Radrennfahrer wie früher Alvaro Mejia gäbe, wären diese ebenso dauernd gesperrt wie die Langstreckenläufer aus dem ostafrikanischen Hochland, wenn sie versuchen sollten, nicht in der Leichtathletik (wo gar nicht erst der Hämatokritwert erhoben wird), sondern im Radrennsport Erfolg zu haben. Für die Gesundheit entscheidend ist auch nicht ausschließlich der Hämatokritwert, der durch 20 min möglichst ruhiges Stehen, durch legales Höhentraining oder illegales Blutdoping oder EPO-Verwendung gesteigert werden kann. Für die Gesundheit entscheidend ist, wie weit die Pufferkapazität des Blutplasmas ausgereizt ist. Wer nur noch durch lnfusionen oder synthetische Blutverdünner in einem überschaubaren Zeitraum seinen Hämatokritwert deutlich drücken kann, hat sich vorher gedopt.

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