Volltextsuche:
 
 
Effekte & Zeitl. Entwicklung

Zeitlich verzögerte Effekte im Krafttraining

Ein Krafttrainingskomplex mit dem Ziel der Schnellkraftverbesserung kann grob in zwei Phasen eingeteilt werden. Im Grundlagentraining wird in einer ersten Phase mit Methoden der submaximalen Kontraktionen der Muskelquer-schnitt erhöht, womit eine erste Maximalkraftverbesserung verbunden ist. In der zweiten, wettkampfnahen Phase erfolgt die Verbesserung der Ausnutzung des erarbeiteten Muskelpotentials in Form einer Erhöhung der willkürlichen Aktivierungsfähigkeit. Hierzu werden vor allem die Methoden der maximalen Kon-traktionen angewendet. Neben einer weiteren Erhöhung der Maximalkraft kann durch ein Training mit maximalen Kontraktionen die Explosivkraft gefördert werden (SCHMIDTBLEICHER 1980, SCHMIDTBLEICHER/BÜHRLE 1987). Ein zentrales Problem bei der Planung von Leistungshöhepunkten im Saisonverlauf stellt die optimale Ausnutzung verzögerter Trainingseffekte dar (VERCHO-SCHANSKYJ 1988).
Aus leistungssportlicher Sicht ist allerdings nicht nur der Verlauf der Maximal-kraftentwicklung von Bedeutung, sondern auch das Kraftanstiegs- bzw. Bewe-gungsschnelligkeitsverhalten. Lediglich HÄKKINEN u.a. (1985) erfassten vier Wochen nach Ende eines explosivkraft-orientierten Trainings das Kraftan-stiegsverhalten. Interessanterweise zeigt der verwendete Kraftanstiegsparameter nach diesen vier Wochen einen weiteren Zuwachs gegenüber dem Trainings ende. Eine zeitlich möglichst exakte Trainings- bzw. Wettkampfplanung unter Einbeziehung eines hochintensiven Krafttrainings kann demnach bisher nicht wissenschaftlich fundiert erfolgen.
Folgende Fragestellungen standen im Vordergrund der

Untersuchung:
Wie viele Tage nach Trainings Ende sind die höchsten Zuwächse in der dyna-mischen Maximalkraft und der azyklischen Bewegungsschnelligkeit festzustel-len?
Wie verhalten sich diese Effekte beim Einsatz unterschiedlicher Muskelaktions-formen?

Konsequenzen
Zunächst muss einschränkend erwähnt werden, dass sich die Ergebnisse nur auf die schnelligkeits- und schnellkraftorientierten Sportarten übertragen las-sen, deren Haupttrainingsinhalt nicht ausschließlich Krafttraining ist und die mit einer Periodisierung im Block auf einen bestimmten Wettkampfzeitpunkt hinarbeiten.
Gängige Empfehlungen, wonach Krafttraining bis kurz vor den Wettkampf zur optimalen Ausnutzung der Effekte durchgeführt werden soll, müssen demnach nach oben korrigiert werden. Ein Abstand von 7 bis 10 Tagen scheint nach den vorliegenden Ergebnissen sinnvoller zu sein, als die bisher praktizierten 3 bis 4 Tage. Wenn ein Training mit maximalen Kontraktionen exzentrisch-konzentrisch durchgeführt wird, könnte die schnellkraftorientierte Trainings-planung gegenüber bisherigen Vorstellungen weiter modifiziert werden. Nach-dem sich die Maximalkraftverbesserungen bei tendenziell steigender Bewegungsschnelligkeit offensichtlich mehrere Wochen konservieren lassen, könnte vor dem Wettkampf ein weiterer Trainingsblock mit einer Dauer von zwei bis drei Wochen eingebaut werden, bei dem die explosive Kraftentfaltung bzw. Bewegungsschnelligkeit zusätzlich geschult werden kann. Zur inhaltlichen Gestaltung eines solchen Trainingsblocks liegen verschiedene Konzepte vor (NEWTON/KRAEMER 1994, SCHMIDTBLEICHER/HEMMLING 1994, TIDOW 1995).
Letztlich sollten die Ergebnisse in der leistungsdiagnostischen Praxis Beachtung finden, so dass die Effektivitätsüberprüfung bestimmter Trainingsblöcke in aus-reichendem Zeitabstand zum Trainings Ende, gemäß den vorliegenden Resulta-ten, erfolgt.

Testinhalte
Die Probanden der konzentrisch (überwindend-dynamisch) trainierenden Grup-pe mussten die Hantelstange zur Hochstrecke bringen, die darauffolgend von zwei Personen wieder in die Ausgangsposition heruntergelassen wurde. Die ex-zentrisch-konzentrisch (abbremsend-überwindend) trainierende Gruppe hatte die Aufgabe, in der exzentrischen Phase die Hantelstange nahezu frei fallen zu lassen und erst im letzten Moment abzubremsen. Unmittelbar daran schloss sich die konzentrische Phase an. Vor der ersten Wiederholung wurde die Last von den Versuchsleitern in die Ausgangsposition angehoben. Die Probanden beider Gruppen sollten die Kraft in der konzentrischen Phase explosiv entfalten.

Wie lassen sich die Kraftverbesserungen und ihr zeitlicher Verlauf in Abhängigkeit der eingesetzten Muskelaktionsformen erklären?
Allgemein besteht Einigkeit darüber, dass die Kraftverbesserungen nach Trai-ning mit höheren Lasten (> 70 Prozent der Maximalkraft) sowohl auf neurona-len Anpassungen als auch auf Erhöhungen des Muskelquerschnitts beruhen. In vereinfachter Betrachtung werden die Anpassungseffekte in den ersten Wochen vor allem neuronalen Mechanismen zugeschrieben, während nach vier bis sechs Wochen Training mehr und mehr Muskelquerschnittserhöhungen für Kraftverbesserungen verantwortlich gemacht werden (MORITANI/DEVRIES 1979).
Der Stimulus für die Kraftverbesserungen bei beiden Trainingsgruppen dürfte vornehmlich mit der hohen neuronalen Aktivierung und den damit verbundenen hohen Spannungswerten in der Muskulatur in Zusammenhang stehen. Da-bei ist davon auszugehen, dass ein Training mit derartigen Lasten einen be-sonderen Reiz für schnelle Typ II Fasern darstellt, weil diese aufgrund des an-sonsten begrenzten Gebrauchs größere Adaptationsreserven haben als lang-same Typ I Fasern (vgl. SALE/MAC-DOUGALL 1981).
Aus neuronaler Sicht können verschiedene Mechanismen zum Kraftgewinn bei-tragen. Neben einer zusätzlichen Einbeziehung (insbesondere schneller) moto-rischer Einheiten und der höheren frequenten Ansteuerung des Muskels könnte auch eine ökonomischere Muskelansteuerung stattfinden. (BEHM/SALE 1993).
Es ist allerdings zu vermuten, dass während der schnellen exzentrischen Be-wegung Reflexe auftreten, die eine günstigere neuronale Adaptation nach sich ziehen (SCHMIDTBLEICHER 1984). Neuronale Effekte genügen vermutlich nicht als alleiniger Erklärungsansatz, da diese nach Ausbleiben des Trainingsreizes relativ schnell zurückgehen (HÄKKINEN u.a. 1983, ISHIDA u.a. 1990).

Exzentrische Trainingseffekte
Seit langem ist bekannt, dass beim Einsatz exzentrischer Muskelarbeit Mikro-traumen im Muskel ausgelöst werden, die bei rein konzentrischem Training nicht bzw. weniger massiv auftreten. Dies kommt dadurch zustande, dass - bei gegebener konstanter Last- bei exzentrischer Muskelarbeit weniger Muskel-masse an der Kraftentwicklung beteiligt ist als bei rein konzentrischer (SHEL-LOCK u.a. 1991), womit ein höherer Stress auf die beteiligten Muskelfasern ausgeübt wird. Die initialen Zerstörungen betreffen dabei hauptsächlich binde-gewebige Substanzen (Z-Scheiben, M-Linien etc.) (IRIDEN u.a. 1983, NEWHAM u.a. 1983).
Dies erscheint insofern interessant, als Hinweise vorliegen, denen zufolge Bin-degewebe (parallelelastische Elemente) einen wichtigen Beitrag bei der Kraft-übertragung innerhalb des Muskels leisten kann (EDGERTON u.a. 1997, HU-JIJNG 1997) und damit auch Kraftverbesserungen nach Training in Verbindung mit Bindegewebsveränderungen gebracht werden können (JONES u.a. 1989).
Die spezifische Wirkung der exzentrischen Phase könnte dabei vor allem die Typ II-Fasern betreffen. Es wurde bereits erwähnt, dass Training mit Lasten > 90 Prozent einen starken Reiz für einen Großteil der Typ II-Fasern ausübt. Möglicherweise trifft dies für exzentrische Bewegungen bei bestimmten Mus-keln in noch stärkerem Maße zu (vgl. NARDONNE u.a. 1989). Gleichfalls ist be-kannt, dass Typ II-Fasern im Vergleich zu Typ I-Fasern schwächeres Bindege-webe haben (FRIDEN/LIEBER 1992). Damit ist auch vorstellbar, dass in passi-ven Strukturen von Typ II-Fasern Anpassungsreserven zu finden sind. Sollte Bindegewebe also einen wichtigen Beitrag bei der intramuskulären Kraftüber-tragung leisten, könnte eine Proliferation dieser Strukturen vermehrte Kraft-gewinne von exzentrisch-konzentrischem Training in Teilen erklären. Bindege-websanpassungen können zum Teil auch die verzögerten Adaptationen erklären, da die vollständige Regeneration traumatisierter Proteinstrukturen etwa 7 bis 15 Tage (GOLDSPINK 1992), nach neueren Beobachtungen möglicherweise sogar noch länger benötigt (TAKALA u.a. 1997).
Die weiteren Verbesserungen bzw. Stabilisierungen in der De-Trainingsphase ergeben sich aus der angesprochenen Zeitdauer des Protein-Turnovers (7 bis 15 Tage). Je länger die De-Trainingsphase dauert, desto mehr laufen die Entwicklungen auseinander, da die neuronale Komponente durch das Ausbleiben des Trainingsreizes an Bedeutung verliert, während die muskuläre Komponente erst verspätet zur vollen Wirkung kommen kann. Letzteres trieb für die späte De-Trainingsphase entsprechend den dargestellten Regenerationsverläufen in besonderem Maße für das exzentrisch-konzentrische Training zu, so dass die Stabilisierung des Kraftniveaus 7 bis 21 Tage nach Trainings Ende vermutlich durch die zeitliche Überlagerung neuronaler und muskulärer Effekte zustande kommt.

Fazit
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass neuronale und morphologische Faktoren einen unterschiedlichen Zeitverlauf in der Anpassung haben.

Die Veränderungen der Bewegungsschnelligkeit sind nicht auf intermuskulär-koordinative Lerneffekte im Sinne einer Änderung des Bewegungsmusters zu-rückzuführen, da im Laufe der Untersuchung keine Veränderung des Punktes auf der Strecke erfolgt, bei dem die maximale Bewegungsgeschwindigkeit auf-tritt. Die maximale Bewegungsgeschwindigkeit dient als Parameter zur Abschätzung der Fähigkeit, die Kräfte so zu entfalten, dass einem vergleichsweise geringen Widerstand eine hohe Endgeschwindigkeit verliehen werden kann, was entsprechende sportpraktische Bedeutung hat. Grundsätzlich ist bekannt, dass zwischen der Maximalkraft und der maximalen Bewegungsgeschwindig-keit gegen geringere Lasten bei gleicher Bewegung mittlere bis hohe Zusammenhänge bestehen (SCHMIDTBLEICHER 1980 )
Damit dürften die neuronalen und morphologischen Interpretationen zum Kraftzuwachs auch einen Großteil der Entwicklung der Bewegungsschnelligkeit erklären.

Physiologischen Ursachen
Die Rücktransformation der Fasern stellt eine typische Nichtbeanspruchungs-adaptation dar, die nicht beobachtet wurde. Neuere Vorstellungen zur Bedeu-tung der Muskelfasertypenverteilung gehen des weiteren davon aus, dass die Erhöhung des relativen Typ IIa-Anteils nach Krafttraining eine typische Adaptation darstellt. Nach diesem Konzept stellen Typ IIb-Fasern (sehr schnell) eine Reservepopulation dar, die bei häufiger Beanspruchung in Typ IIa-Fasern um-gewandelt werden (KRAEMER u.a. 1995, JÜRIMÄE u.a. 1997). Darüber hinaus existiert ein Ansatz, wonach herausragende azyklische Schnellkraft- bzw. Schnelligkeitsleistungen weniger vom Faserverhältnis als vielmehr vom Querschnitt der schnellen Fasern abhängen (z.B. JOSTARNDT-FÖGEN u.a. 1997). JÜRIMÄE u.a. (1997) fanden zudem eine positive Korrelation zwischen dem Querschnitt der Fasern mit hohem Gehalt an Typ IIa-Myosinschwerketten des M. triceps brachii und der Kraft bei mittleren isokinetischen Geschwindigkeiten (300 Grad/s).

Literatur:
auf Anfrage


Home Kontakt Link-Verzeichnis Laktat Test Mailen Body-Management Impressum