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Anaerobe Schwelle
Entwicklung der Laktatdiagnostik zu Bestimmung der Ausdauerleistungsfähigkeit

Im Radsport dauern die Wettkämpfe oft mehrere Stunden. Es werden hauptsächlich aerobe Stoffwechselwege beansprucht. Für die Trainingswissenschaft und die Sportmedizin war es daher sehr interessant, ein Maß für die Ausdauerleistungsfähigkeit zu entwickeln. Wichtig für die historische Entwicklung war die Erfindung der Spiroergometrie, also der Messung der Atemgase unter Belastung, sowie die Erkenntnis, dass bei intensiver körperlicher Arbeit im Muskel Laktat gebildet wird.
In den 1920er Jahren entwickelte der spätere Nobelpreisträger A.V. Hill das Konzept der maximalen Sauerstoffaufnahme (Hill und Lupton 1923). Danach existiert eine maximal ausschöpfbare aerobe Kapazität eines Organismus, die die individuelle Ausdauerleistungsfähigkeit begrenzt. In großen heterogenen Bevölkerungsgruppen erlaubt die VO2max eine gute Differenzierung zwischen ausdauerstarken und ?schwachen Personen. In einer homogenen Gruppe kann es trotz relativ ähnlicher VO2max zu deutlichen Unterschieden in der Leistungsfähigkeit kommen, bzw. ähnliche Wettkampfleistungen können mit unterschiedlichen maximalen Sauerstoffaufnahmewerten erreicht werden (Barbeau et al. 1993, Coyle et al. 1988, Meyer et al. 2000, Noakes 1997, Noakes 1998). Weiterhin ist die Messung der VO2max vom Belastungsprotokoll und vom Grad der Ausbelastung abhängig, d.h. auch von der individuellen Motivation und Tagesform.
Es wurde daher versucht, Konzepte zu entwickeln, die anhand submaximaler Messungen verschiedener Parameter die Ausdauerleistungsfähigkeit besser beurteilen. Aus solchen Überlegungen entstanden eine Reihe sogenannter ?Schwellenkonzepte?.
In den 1950er Jahren entwickelte Hollmann das Modell des ?Punktes des optimalen Wirkungsgrades der Atmung? (PoW; Hollmann 1959), der durch den ersten Anstieg des Atemäquivalents für Sauerstoff (AÄO2) während ansteigender Belastungen gekennzeichnet ist. Hollmann bezeichnete diese Schwelle auch als ?O2-Dauerleistungsgrenze?, als diejenige Intensität, die über längere Zeit (~ 90 min) durchgehalten werden kann. Wasserman (Wasserman und McIlroy 1964, Wasserman et al. 1973) entwickelte in den 60er und 70er Jahren das ebenfalls auf spiroergometrischen Messungen beruhende analoge Konzept der ?anaerobic threshold? (anaerobe Schwelle), das den Punkt des ersten Laktatanstiegs markieren soll.
Hauptsächlich in Deutschland wurden Modelle entwickelt, die die Ausdauerleistungsfähigkeit anhand des submaximalen Verhaltens von Laktat beschreiben. Während kontinuierlich ansteigender Belastungen ist ein exponentieller Anstieg der Blutlaktatkonzentrationen zu beobachten. Mader et al. (1976) legten die aerob-anaerobe Schwelle bei einem fixen Laktatwert von 4 mmol*l-1 hauptsächlich aus zwei Gründen fest:
Erstens ist bei konstanten Belastungen, die in den ersten Belastungsminuten zu höheren Laktatwerten führen, ein kontinuierlicher weiterer Anstieg der Laktatkonzentration und daher ein früher Abbruch der Belastung zu beobachten. Und zweitens entspricht ein Laktatspiegel von ca. 4 mmol*l-1 derjenigen Intensität, die als die Grenze des reinen Ausdauertrainings über längere Zeit im Ausdauersport gesehen wird.
In der Folge wurde allerdings beobachtet, dass diese über längere Zeit gerade noch erträglichen Laktatkonzentrationen interindividuell deutlich variierten und dass konstante Belastungen, die an der im Stufentest ermittelten 4 mmol-Schwelle durchgeführt wurden, zu deutlich höheren Azidosen und somit zu einem frühen Belastungsabbruch führten (z.B. Oyono-Enguelle et al. 1990, Stegmann und Kindermann 1982). Danach wurde international eine Fülle von Schwellenkonzepten entwickelt (vgl. Heck 1991, S.108ff), die eine individualisierte Bestimmung der anaeroben Schwelle erlauben sollten. Manche Autoren versuchten dies durch Festlegung eines festen Tangentenwinkels an den ansteigenden Schenkel der Laktatleistungskurve (Keul et al. 1979, Simon et al. 1981) oder durch Addition eines fixen Wertes zur Basislaktatkonzentration (Dickhuth et al. 1988, Simon 1986). Stegmann et al. (1981) entwickelten eine Methode, die auch den Verlauf der Laktatkonzentration in der Erholungsphase nach Belastung berücksichtigt. Auf dieses Modell wird im Folgenden näher eingegangen.
Aufgrund der großen Anzahl an veröffentlichten Schwellenkonzepten, die großenteils anaerobe Schwelle genannt wurden, entstand eine erhebliche begriffliche Verwirrung, die auch zu z.T. widersprüchlichen Studienergebnissen führte (zur Entwicklung und zur Vielfalt der Schwellenkonzepte siehe auch Coen (1997, S.7ff) und Heck (1991, S.108ff)). Ein Versuch diese begriffliche Verwirrung zu klären, unternahmen Kindermann et al. (1979) mit der Einführung des ?aerob-anaeroben Übergangs?.

Literatur
Faude,O.: Kardiozirkulatorisches, metabolisches und
ventilatorisches Verhalten während vierstündiger Dauerbelastungen auf dem Fahrrad. 2002 (Diplomarbeit) S.20-22
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